Schau die Bank hier an Teiches Ufer. Setz dich nur, du Lieber. Einst war es unser Lieblingsplatz vor langer, langer Zeit. Weißt du das noch?
Sag du es mir, ich hab’s vergessen. Sag mir, Frau, was ist gescheh’n?
Du warst stets großzügig, hast gemacht und getan. Doch irgendwann hat es dir nicht mehr gereicht Almosen zu spenden oder bei Umzügen zu helfen, Rasen zu mähen oder Fussballjungs zu trainieren. Du wolltest etwas Sinnvolles mit deiner Zeit anstellen. Da bist du hergegangen und fingst an, sie zu verschenken. Hier einen Moment, dort eine Stunde. Manchmal auch ein ganzer Tag. Schon bald hatte sich das im Viertel herumgesprochen. Alle kamen sie an unsere Tür. Die Hausfrau, die sich für zwei Stunden in fremde Arme stehlen wollte, der Manager, der nur einen Moment für sich brauchte, einen Moment zum Träumen, die Kleine von Gegenüber, die unbedingt die Zeit zum Lernen benötigte, die sie abends zuvor in einem Tanztempel verpulvert hatte. Der Kurierfahrer, der einmal tief Luft holen musste zwischen all den Paketen, Treppen und Kunden. – Ich gab Ihnen Kaffee und Kuchen, du deine Zeit. Sag, erinnerst du dich nicht?
Sag du es mir, ich hab’s vergessen. Sag, was habe ich getan?
Am Anfang waren sie dankbar und voller Ehrfurcht. Sie konnten es sich nicht erklären, wie dieses Wunder funktionierte, keiner konnte das. Am Anfang fragten sie: Vergeht’s wieder? Doch du hast weitergegeben, eine Armenspeisung für Zeit warst du. Ohne zu hinterfragen hast du ihnen alles gegeben was sie brauchten. Da nutzte sich das Wunder bald ab und mit dem Wunder schwand auch der Dank. Waren sie vorher auf leisen Sohlen gekommen, verschreckt von der eigenen Courage, zitternd vor Angst, abgewiesen zu werden, von uns oder dem Schicksal, so wurde der Gang bald aufrecht, der Schritt fest und selbstbewusst, als ob man einen Geldautomaten aufsuchte und sich nahm, was man wollte, nur: was taten sie, um ein Anrecht auf deine Zeit zu haben?
Sag du es mir, ich hab’s vergessen. Sag, was haben sie getan?
Wir fingen an deswegen zu streiten, weißt du es noch? Kam denn nur einer um deinetwillen? Wollte auch nur einer etwas zurückgeben? Etwas Kraft, etwas Geld, etwas Da sein? Nein. Aber du wolltest das ja auch gar nicht. Du sagtest immer: Geschenkt ist geschenkt. Hat dir ja immer gefallen, der Gutmensch zu sein. Aber du hast nicht gesehen, wie du immer weniger wurdest dabei, substanzloser, schwächer. Die Arbeit wurde dir zu schwer, man hat dich freigesetzt. Da waren die Raten für das Haus noch nicht abbezahlt, es wurde gepfändet. Und immer noch hast du gegeben. Allen. Nur nicht mir oder dir. Dabei hätten wir’s verdient gehabt nach einem langen Leben im Vier-Schicht-Rhythmus und immer aneinander vorbei geplant. Schließlich hast du mich in meinem Zorn so weit gebracht, dir ein Ultimatum zu stellen: entweder ich oder die anderen, diese dahergelaufenen Zeitschmarotzer.
Sag du es mir, ich hab’s vergessen. Sag, was haben wir getan?
Du hast deine Entscheidung aufgeschoben. Und ich habe dich zunächst gelassen. Denn es hätte zu sehr geschmerzt, mir einzugestehen, verloren zu haben. Als du aber anfingst, deine festen Reserven herzugeben, deine Erinnerungen, die gespeicherte Zeit, das was dich mit mir verband, da wurde unsere Gegenwart schwarz und bitter, so wie der Kaffee, den ich den Zeitsuchenden servierte. Die ließen den Kaffee schließlich einfach stehen. Du hast mir wenigstens hin und wieder einen Blick zugeworfen, bevor du dich ihnen zuwandtest. Ein Blick, der sagte: Weh mir, ich kann nicht anders. Bleibe bei mir, ich liebe dich. - Ja, ich kenne diesen Blick. Aber ich ließ dich stehen in meiner hilflosen Wut. Immer öfter zog ich mich zurück in mein Zimmer. In meine Welt, in meine Erinnerungen. Du wurdest währenddessen zu einem Schatten deiner selbst, ein Schatten, der vor meiner Tür verharrte und mit wispernder Stimme um Einlass bat. Doch die Tür blieb verschlossen. Ich feierte derweilen mit den Geistern meiner Erinnerung. Wenn ich die Bilder betrachtete, die Aufzeichnungen, dann sah ich dich und mich, wie wir jung waren und frisch verliebt. Die Welt lag uns zu Füßen und ich wünschte mir diese Zeit zurück.
Sag du es mir, ich hab’s vergessen, Sag, was hast du nur getan?
Bald habe ich einen Plan geschmiedet. Ich habe lange überlegt, was uns glücklich machen könnte. Du wolltest von je her ins All. Schon immer wolltest du den Sternen nahe sein, eintauchen in die Ewigkeit. So hast du in lauen Sommernächten geschwärmt, wenn wir auf der Decke lagen, die Reste eines Picknicks um uns verstreut. Ich dagegen wollte immer einen Mann, der mir nahe war. Der an meiner Seite stand. Wo standen wir in der Vergangenheit? Und wo verbringen wir die Gegenwart? Jetzt sitzen wir hier, unter dem Vollmond. Die Sterne funkeln über uns wie einst. Und ich werde etwas tun, was ich schon lange nicht mehr gemacht habe. Ich werde dich um etwas bitten. Und du wirst es mir nicht verweigern können. Vielleicht kann ich damit meine Erinnerung zum Leben erwecken, dein altes Ich. Vielleicht könnten wir noch einmal neu anfangen.-
Drum frag ich dich: Hast du etwas Zeit für mich?
Sag du es mir, ich hab’s vergessen. Sag mir, Frau, was ist gescheh’n?
Du warst stets großzügig, hast gemacht und getan. Doch irgendwann hat es dir nicht mehr gereicht Almosen zu spenden oder bei Umzügen zu helfen, Rasen zu mähen oder Fussballjungs zu trainieren. Du wolltest etwas Sinnvolles mit deiner Zeit anstellen. Da bist du hergegangen und fingst an, sie zu verschenken. Hier einen Moment, dort eine Stunde. Manchmal auch ein ganzer Tag. Schon bald hatte sich das im Viertel herumgesprochen. Alle kamen sie an unsere Tür. Die Hausfrau, die sich für zwei Stunden in fremde Arme stehlen wollte, der Manager, der nur einen Moment für sich brauchte, einen Moment zum Träumen, die Kleine von Gegenüber, die unbedingt die Zeit zum Lernen benötigte, die sie abends zuvor in einem Tanztempel verpulvert hatte. Der Kurierfahrer, der einmal tief Luft holen musste zwischen all den Paketen, Treppen und Kunden. – Ich gab Ihnen Kaffee und Kuchen, du deine Zeit. Sag, erinnerst du dich nicht?
Sag du es mir, ich hab’s vergessen. Sag, was habe ich getan?
Am Anfang waren sie dankbar und voller Ehrfurcht. Sie konnten es sich nicht erklären, wie dieses Wunder funktionierte, keiner konnte das. Am Anfang fragten sie: Vergeht’s wieder? Doch du hast weitergegeben, eine Armenspeisung für Zeit warst du. Ohne zu hinterfragen hast du ihnen alles gegeben was sie brauchten. Da nutzte sich das Wunder bald ab und mit dem Wunder schwand auch der Dank. Waren sie vorher auf leisen Sohlen gekommen, verschreckt von der eigenen Courage, zitternd vor Angst, abgewiesen zu werden, von uns oder dem Schicksal, so wurde der Gang bald aufrecht, der Schritt fest und selbstbewusst, als ob man einen Geldautomaten aufsuchte und sich nahm, was man wollte, nur: was taten sie, um ein Anrecht auf deine Zeit zu haben?
Sag du es mir, ich hab’s vergessen. Sag, was haben sie getan?
Wir fingen an deswegen zu streiten, weißt du es noch? Kam denn nur einer um deinetwillen? Wollte auch nur einer etwas zurückgeben? Etwas Kraft, etwas Geld, etwas Da sein? Nein. Aber du wolltest das ja auch gar nicht. Du sagtest immer: Geschenkt ist geschenkt. Hat dir ja immer gefallen, der Gutmensch zu sein. Aber du hast nicht gesehen, wie du immer weniger wurdest dabei, substanzloser, schwächer. Die Arbeit wurde dir zu schwer, man hat dich freigesetzt. Da waren die Raten für das Haus noch nicht abbezahlt, es wurde gepfändet. Und immer noch hast du gegeben. Allen. Nur nicht mir oder dir. Dabei hätten wir’s verdient gehabt nach einem langen Leben im Vier-Schicht-Rhythmus und immer aneinander vorbei geplant. Schließlich hast du mich in meinem Zorn so weit gebracht, dir ein Ultimatum zu stellen: entweder ich oder die anderen, diese dahergelaufenen Zeitschmarotzer.
Sag du es mir, ich hab’s vergessen. Sag, was haben wir getan?
Du hast deine Entscheidung aufgeschoben. Und ich habe dich zunächst gelassen. Denn es hätte zu sehr geschmerzt, mir einzugestehen, verloren zu haben. Als du aber anfingst, deine festen Reserven herzugeben, deine Erinnerungen, die gespeicherte Zeit, das was dich mit mir verband, da wurde unsere Gegenwart schwarz und bitter, so wie der Kaffee, den ich den Zeitsuchenden servierte. Die ließen den Kaffee schließlich einfach stehen. Du hast mir wenigstens hin und wieder einen Blick zugeworfen, bevor du dich ihnen zuwandtest. Ein Blick, der sagte: Weh mir, ich kann nicht anders. Bleibe bei mir, ich liebe dich. - Ja, ich kenne diesen Blick. Aber ich ließ dich stehen in meiner hilflosen Wut. Immer öfter zog ich mich zurück in mein Zimmer. In meine Welt, in meine Erinnerungen. Du wurdest währenddessen zu einem Schatten deiner selbst, ein Schatten, der vor meiner Tür verharrte und mit wispernder Stimme um Einlass bat. Doch die Tür blieb verschlossen. Ich feierte derweilen mit den Geistern meiner Erinnerung. Wenn ich die Bilder betrachtete, die Aufzeichnungen, dann sah ich dich und mich, wie wir jung waren und frisch verliebt. Die Welt lag uns zu Füßen und ich wünschte mir diese Zeit zurück.
Sag du es mir, ich hab’s vergessen, Sag, was hast du nur getan?
Bald habe ich einen Plan geschmiedet. Ich habe lange überlegt, was uns glücklich machen könnte. Du wolltest von je her ins All. Schon immer wolltest du den Sternen nahe sein, eintauchen in die Ewigkeit. So hast du in lauen Sommernächten geschwärmt, wenn wir auf der Decke lagen, die Reste eines Picknicks um uns verstreut. Ich dagegen wollte immer einen Mann, der mir nahe war. Der an meiner Seite stand. Wo standen wir in der Vergangenheit? Und wo verbringen wir die Gegenwart? Jetzt sitzen wir hier, unter dem Vollmond. Die Sterne funkeln über uns wie einst. Und ich werde etwas tun, was ich schon lange nicht mehr gemacht habe. Ich werde dich um etwas bitten. Und du wirst es mir nicht verweigern können. Vielleicht kann ich damit meine Erinnerung zum Leben erwecken, dein altes Ich. Vielleicht könnten wir noch einmal neu anfangen.-
Drum frag ich dich: Hast du etwas Zeit für mich?