• Startseite
  • Projekte
  • Die die sehen
  • Veröffentlichungen
  • Termine
  • Leseproben
  • Storytelling - Audioaufnahmen
  • Rezensionen
  • Salzgras & Lavendel
  • Über
  • Kontakt
Gabriele Behrend
Autor

Projekt-Bericht-Erstattung

Wenn es etwas aktuelles gibt, dann wird es hier verkündet.
Wenn nicht, dann nicht.

alles auf Anfang

Schreibgruppe - Klappe, die dritte! Heute: Schreiben zu einer Überschrift

6/26/2024

0 Comments

 

Summer in the city

and the girls are so pretty
Tom schlenderte durch die Menschentrauben, die sich in der Innenstadt auf den Straßen zusammenballten. Kleine Gruppen giggelnder Mädchen, die untergehakt auf der gesamten Breite des Bürgersteiges flanierten, oder sich an Bushaltestellen in Grüppchen um das Handy ihrer Anführerin scharten, weckten dabei sein Interesse. Wie schön sie waren, wie unbeschwert, wie fröhlich! Er musste an seine eigene Tochter denken, die sich zur Zeit in der Klinik befand, Tag für Tag in den trüb-dunklen Armen der Depression gefangen. Kaum einer drang zu ihr vor. Vielleicht sollte er sie hier an diesen Ort zwingen? Sollte ihr Frohsinn, Heiterkeit und einen eisverschmierten Mund verordnen? Komm wieder zu uns zurück, Purzelchen! Komm wieder zurück zu mir. Daddys Prinzessin, Du und ich, das war doch immer töfte gewesen!
Tom kam an dem Brunnen auf dem Marktplatz an. Er setzte sich zwischen Mütter und ihre schreienden und glucksenden Kinder, die sich voller Wonne in das Becken tunkten. Das war es, was er vermisste- Die liebevolle Heiterkeit, das Urvertrauen. 
Das war zerschellt, an den Klippen des französischen Mittelmeeres. Ursulas Wagen war von der Straße abgekommen und nahe Nizza die Felsen hinuntergestürzt. So gesehen war alles, was danach kam, logisch. Die Trauer, die ihn umklammerte, auch jetzt, 13 Monate später- Die Depression die sich Franzi zugezogen hatte, wie einen hartnäckigen und quälenden Schnupfen. Aber wenn er von der Trauer ließe, würde er damit nicht auch die Erinnerung an Ursula ziehen lassen? Er wagte nicht, auch nur einen Schritt aus der Trauer heraus zu treten, denn er wollte ihr nicht untreu werden.
"Entschuldigen Sie bitte." Eine der Muttis wandte sich ihm zu.
"Was?", fragte er irritiert.
"Mein Kleiner - er hat Ihnen eine Dusche verpasst. So ungeschickt ist er sonst nicht." Sie lächelte zurückhaltend.
Tom bemerkte tatsächlich erst jetzt seinen nassen Rücken. " Ach nicht doch, alles gut. So eine kleine Erfrischung kann doch nicht schaden."
Er betrachtete sie näher. Dunkelbraune, lockige Haare, die im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst waren. Sommersprossen. Haselnussbraune Augen mit grün goldenen Sprenkeln. Ein einfaches weißes Top, mit Spitze eingefasst und gehalten von schmalen Trägern. Sie war auf eine schlichte Art schön. Sein Herz schlug schneller und plötzlich fiel der eine, der erste Schritt aus der Trauer gar nicht schwer.
"Möchten wir vielleicht-" er deutete zu dem Eiswagen, der am Straßenrand stand.
Sie lächelte ihm zu. "Aber nur wenn ich bezahle!" Sie sprang auf die Füße. "Wer zuletzt kommt, bekommt auch zuletzt. Der kriegt nur die traurigen Reste!"
Tom hechtete ihr nach und kam neben ihr zu stehen. "Wie heißen Sie eigentlich?" wagte er, mit einem Mal mutig, zu fragen.
"Suzanne", sie blinzelte zu ihm hoch. "Und du bist?"
"Tom", sagte Tom. Danach sagte er nicht viel außer 'Haselnuss' und 'Pistazie'.
Sie schlenderten mit ihren Eistüten zum  Brunnen zurück. Ein kleiner nasser Suzanne-Spross löste sich von seiner Schwester und spurtete auf seine Mutter los. Die drückte Tom ihr Eis in die Hand, fing ihren Sohn auf und schwenkte ihn durch die laue Sommernachtluft. Tom stand mit zwei Waffeltüten in den Händen daneben. 
Auf einmal wünschte er sich, weinen zu können. Den ganzen Kummer loslassen. Aber das ging nicht. 
Suzanne entwand ihr Eis seinen Fingern. "Morgen wieder hier? Zur gleichen Zeit?" Sie zwinkerte ihm zu. Danach verschwand sie mit ihren Kindern in der Menschenmenge.
Tom schwor sich, morgen wieder hier zu sein. Aber mit Franzi im Gepäck. Für ihn wieder Haselnuss und Pistazie, für Franzi ein doppeltes Zitronensorbet.
Summer in the city!
Bild
0 Comments

Zehn Wörter, keine zehn Minuten - hier das Ergebnis!

6/15/2024

0 Comments

 
Gendarm - gefeilt - Tutu - Parapluie - Käsekuchen - Gießkanne - Topfpflanze - Pflastersteine - Flaschendeckel - Gedanke

Eines Tages, als der Gendarm seine Runde durch das Quartier drehte, kam er unter dem Balkon von Gigi, der Ballerina mit dem grünen Tutu und den stets sorgfältig gefeilten Nägeln, vorbei. Er zückte seinen Parapluie, denn er kannte die Vorliebe von Gigi, ihre Topfpflanzen mit der Gießkanne zu malträtieren. Als auch diesmal die Tropfen auf Regenschirm und Pflastersteine fielen, kam ihm der Gedanke, dass es doch recht schön wäre, einen Käsekuchen mit Gigi zu teilen. Doch alles, was von diesem Traum blieb, war der blaue Flaschendeckel, der von Gigis Balkon fiel und von seinem Schirm abprallte. Denn ein Gendarm und eine Ballerina, das passte doch nicht zusammen. Oder doch?
Bild
Zahnschmerz - Orange - Spazierstock - Mineralwasser - Zitronenbaum - Uhrzeit - Traum - Vergänglichkeit - Raum - Jubel

Im Traum, in diesem Raum, im Zitronenbaum
da fand ich eine Orange.
Ich rollte sie, ich drückte sie
und presste sie ins Mineralwasser.
Dann trank ich diese Mischung, sah auf die Uhr und feierte die Vergänglichkeit.
Der Jubel war groß, die Uhrzeit war bloß
ein Kontinuum, das ich mit dem Spazierstock durchmaß.
Und als ich erwachte, pochte es Schritt für Schritt dumpf in meinem Zahn.
Der Zahnschmerz übernahm die Regentschaft über meine Wachzeit - 
​und aller Jubel war vergangen. 
Bild
Kaktus - Schmerz - Bierhefe - Klingel - Marokko - Weg - Leitplanke - grenzwertig - Vision - Behälter

Ich drückte auf die Messingklingel an der Hintertür der Brauerei, denn Behälter mit der Bierhefe auf der rechten Hüfte abgestützt. Erst gestern war ich aus Marokko heimgekehrt mit der grenzwertigen Vision, dass die Brauerei ohne diese meinen Weg ins Verderben stürzen würde, weil sie kein Bier mehr produzieren könnten.
Aber der Schmerz, der mich durchzuckt hatte, als ich versehentlich zuerst den Kaktus und nicht den Hefebottich griff, brachte mich auf die richtige Gedankenautobahn, komplett mit Leitplanken ausgestattet, zurück.
Ich brachte etwas Bierhefe her, ja und? War ja kein Staatsakt, also alles ruhig, Brauner. Ist doch nur Hefe!
0 Comments

Noch mehr Vollendete - Schreibgruppe, Klappe, die zweite

6/12/2024

0 Comments

 
Schreibmeditation "Mein Wohlfühlort"
Das Lavendelfeld an der Küste
Auf meiner Wanderung entlang der Küstenkrone der steilen Klippen, die westlich zum Strand abfallen, komme ich an einem rostigen , halb zerfallenen Tor vorbei. Neugierig trete ich näher und berühre den obersten Holm des schräg gebeugten Gitters. Es fällt auf trockenen, sandigen Boden und gibt den Blick frei auf ein Feld mit englischem Lavendel. Er ist knorriger und eigenwilliger als der französische, er wirkt ruppiger und struppiger. Der Wind weht seinen Duft zu mir herüber und schickt so seine Einladung, doch näher zu treten. Ich folge der Weisung und stehe zwischen den Lavendelbüschen, die wuchern, dass es eine wahre Pracht ist.
Der Wind dreht sich. Nun trägt er das Echo der Brandung mit sich, wie sie sich am Strand bricht und den nassen Sand hinaufläuft, mit einem Grollen und Zischen, mit einem Röhren und Wischen. Ich spüre das Salz, das sich an meinen Lippen bricht. Ich schmecke die kristalline Struktur, die natürliche Würze.
Der Wind spielt mit meinem Haar, er ist verspielt, bisweilen ein wenig ruppig. Doch dann, als ich mich schon entnervt wegdrehen will, lockt der Lavendel wieder. Er lockt mit Duft, Aroma, Würze. Er lockt mit seinem leuchtenden Lila und dem satten Grün seiner Blätter. Ich beginne die Reihen abzuwandern, grabe meine Zehen in den feinen, weißen Sand, der zwischen den Pflanzen mäandert. Mich begleiten Hummelgebrumm, Bienensummen und hie und da der Ruf von Kolkraben. Und ich frage mich: was machen die Krähen an meiner Saat? Da kommt mir der Gedanke, dass sie ebenso geladene Gäste sind, wie ich. Das Lavendelfeld gehört nicht mir, nicht Dir. Das Lavendelfeld gehört nur sich selbst. Es ist offen, es ist warm, es ist sich selbst genug und gibt daher so viel von sich. 
Ich streife durch das Feld, die Arme ausgebreitet. Ich spiele Flugzeug in dieser Wunderwelt. Ich möchte das Feld von oben sehen, möchte mich satt trinken an Farbe und Licht. Da lösen sich meine Fußsohlen von der Krume, ich steige auf in den Himmel und schwimme mit ausgebreiteten Armen durch die Luft. Ich schwimme über dem Lavendelmeer und beobachte fasziniert, wie gleichförmig sich die Lavendelbüsche von Horizont zu Horizont erstrecken. Gleichförmigkeit ist gut , denke ich, Gleichklang verbindet.
Irgendwann mag ich nicht mehr fliegen. Irgendwann lege ich die Arme an meine Seiten und steige ab, bis meine Fußsohlen die Krume wieder berühren.
Ich drehe mich einmal rundherum, mit erhobener Hand, die Handinnenfläche zeigt nach außen. Ich verabschiede mich auf diese Weise vom Lavendel, schließe die Augen und atme tief ein. Dann wache ich auf, von einem Hauch Lavendel umgeben. Ich lächle, also bin ich.
Bild
Notausgang
Bierfass
Kegelbrüder
Sparkassenangestellte
Sommerrodelbahn
Imkerhut
Kautabak

"Himmlische Ruhe! Himmlische Ruhe!"
Sabine, die Sparkassenangestellte von der Filiale neben der Sommerrodelbahn, schob ihren Pfriem Kautabak in den Backentaschen herum. Das war ihre Art zu entspannen und noch entspannter war sie, wenn sie in ihrer weißen Tracht, mit Imkerhut und Pfeife angetan, ihre Bienenstöcke kontrollierte. Sabine neigte im Übrigen ganz allgemein dazu, sich zu wiederholen. Auch das entspannte sie.
Heute war das aber auch besonders nötig. Sie erinnerte sich mit Abscheu an die elf Kegelbrüder, die am heutigen Vormittag strunzhagelvoll die Filiale gekapert hatten. Zusammen mit einem kapitalen Bierfass, das sie aus welchen Gründen auch immer unbedingt durch den Notausgang schaffen wollten.
Sabine hatte es sich so zusammengereimt: Der Oppa von Kegelbruder Nr. 8 war verstorben und hatte in der Filiale ein Schließfach gehabt. Und um Oppa zu huldigen wollten sie alle im Tresorraum einen auf Oppa heben.
Pech nur, dass sie sich in der Tür vertan hatten. Ebenfalls Pech war der Umstand, dass die Polizei die ganze Bande effizient und ohne großes Trara einkassiert hatte.
Was mit dem Bierfass wohl geschehen war? Sabine wußte es auch nicht. Es war jedenfalls mit abtransportiert worden. 
Ach, sollte ihr auch egal sein, dachte sie und spie den Kautabak im großen Bogen in die Wiese, bevor sie die Bienenstöcke wieder verschloss. 
0 Comments

Zwei Vollendete - Fingerübungen aus der Schreibgruppe

6/5/2024

0 Comments

 
Ort: Leichenschauhaus
Person: Motorradfahrer
Gegenstand:  Zwölfzack
Sidekick: Ork

Am späten Abend, auf dem letzten Rundgang seiner Schicht, trat Pete auf den vorderen Parkplatz des örtlichen Leichenschauhauses, Es war dunkel, einzig eine  einzelne orange glühende Straßenfunzel tauchte den nassen Asphalt in mattem Schein. Er seufzte und schüttelte die feuchte Kälte aus seinen Knochen. Dann zückte er seine E-Zigarette und paffte Tabakschwaden in das Dunkel um ihn herum. In der Ferne hörte er das gleichmäßige Schnurren eines E-Bikes, das schnell näher kam. Pete runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen, um das Gefährt zu sehen. Doch Schwarz auf Schwarz gibt sich schwer zu erkennen, und so verließ sich Pete schließlich wieder gänzlich auf sein Gehör, das ihn noch nie betrogen hatte.
Mit einem Mal schwoll das Summen an und erstarb dann in einem trockenen Klick. Pete riss die Augen auf. Vor ihm schälte sich eine mattschwarze Maschine mit einem ebenso mattschwarz gekleideten Motorradfahrer aus dem Dunkel. Doch absonderlicher war der Ork, der auf dem Sozius hockte und einen Zwölfzack über seinem Kopf kreisen ließ.
"Was? Was? Was?", stotterte Pete. "Was soll das hier?"
"Wir suchen dich." Der Motorradfahrer klappte sein Visier hoch. "Du musst uns helfen."
"Aber wie?" Pete fragte sich nicht mehr nach Sinn und Warum, allein, er hatte eine Riesenangst vor dem Ork und seiner Waffe.
"Du hast hier ein hübsches Menschenlager. Viel tote Haut. Ideal zum Tätowieren. Mein Freund hier", der Ork schwenkte wieder mit dem Zwölfzack, " will üben."
Da schaltete Pete ganz schnell in einen anderen Modus, den Modus operandi in dem es hieß give a little, take a little. "Was bekomme ich dafür?" fragte er also listig und rieb sich im Geiste bereits die Hände.
"Dein Leben" antwortete der Motorradfahrer kalt und knapp. "Das sollte dir lieb genug sein."
Da zog Pete an seiner E-Zigarette, warf dem Ork die Schlüsselkarte zu und verdünnisierte sich schleunigst.
Und es war gut, dass er so schnell verschwunden war. Die Zeitungen berichteten am nächsten Morgen von Greueltaten an fast allen Leichen, es war wahrlich kein schöner Anblick. Denn der Ork war tatsächlich ein blutiger Anfänger auf seinem Gebiet.
Bild
Staffelei
Der gestiefelte Kater
Opium
Gemälde
Häcksler
Trinkpäckchen
Geisha

Die Geisha stand stumm staunend mit großen Augen vor der Staffelei und sog am Strohhalm ihres Trinkpäckchens. Nicht nur das Gemälde war eindrucksvoll, etwas entschieden Abstraktes in leuchtendem Gelb, nein, auch der Künstler war es. Sie kannte den gestiefelten Kater bislang nur als Märchenfigur, aber nicht als lebendiges Spektakel, von Opium berauscht und in allen Farben gebadet.
Irgendwann taumelte der feline Maler zu seinem Kunstwerk, hievte die Leinwand von der Staffelei und trug sie zu einem Häcksler, der nebendran stand. Während der zur Tat schritt und das Abstrakte fachgerecht zerschredderte, tanzte der gestiefelte Kater im Kreis herum und rüttelte die Fäuste in die Luft.
"Scheiß auf Banksy! Jeder kann kaputtmachen, was er selbst erschaffen hat! Wir sind alle Banksy! Wo bleibt die Kohle?"
Die Geisha ließ entsetzt das Trinkpäckchen fallen und griff vorsichtig in den Haufen des zerschredderten Gemäldes.
"Oh Trauer", flüsterte sie. "Wann wird die Sonne wieder auferstehen?"
Damit drehte sie sich herum und machte sich auf den Weg zu der Teezeremonie, voller meditativer Hingabe.
Bild
0 Comments

Das Mädchen mit dem Honigblick

6/2/2024

0 Comments

 

~ eine Fingerübung ~

Es war einmal eine junge Frau, die lebte in einer schlichten Zweiraumwohnung mit Küche und Bad. Anders als bei ihren Altersgenossinnen suchte man Tand und Nippes oder Wandtattoos, die in der Küche auf den Cappuccino hinwiesen, vergebens. Man konnte noch nicht mal vom cleanen Scandy-Style sprechen, denn sie hatte einfach kein Händchen für Stil. Ihre Wohnung zeichnete sich also durch die Abwesenheit einer gestaltenden Hand aus, war aber stets ordentlich und rein.
Zu dieser kleinen Wohnung gehörte auch ein Balkon. Es war ein großer Balkon, fast halb so groß, wie das Wohnzimmer und es fanden dort Platz; drei Hochbeete mit Salat und Kräutern, ein Lavendelbäumchen, Vergissmeinnicht in Blau und Weiß, Ranunkeln in rot und Gelb, eine kleine Bauernhortensie, eine Zierkirsche, ein Rosenbusch, Margariten und Petunien, ein Topf voller kleiner Nelken. Es war eine Pracht! Und jedesmal, wenn die junge Frau auf ihren Balkon trat, war es, als ob sich die Pflanzen ihr zuneigten und wie gebannt an ihren Lippen hingen. Denn das Mädchen hatte ihnen viel zu erzählen, während sie mit leichter Hand durch ihr Blattwerk ging, hier ein welkes Blatt entfernte, dort eine hängende Blüte aufrichtete. Außerdem lobte sie beständiges Wachstum, leuchtende Farbenpracht und süßen Duft. Und dieses Lob erstreckte sich auch auf die vielen Besucher, die leise summend und flirrend zwischen den Blumen umhertaumelten. Sie sagte artig Dank für das Summen und Pollen sammeln, für das Brummen und Bestäuben. Eine Honigbiene ging ihr nicht mehr aus dem Sinn. Es war die erste, die sie bei dem Gang auf den Balkon begrüßte und die letzte, die sich von ihr verabschiedete. Es war stets die selbe Biene, die junge Frau hatte sie längst an dem helleren Braun identifiziert, dort, wo sich bei anderen Bienen das Fellkleid in sattem Schwarz präsentierte. 
Als eines Tages, im Spätsommer, die kleine Hellbraune nicht mehr auf den Balkon geflogen kam, machte sich die junge Frau Sorgen. Sie stellte ein Schälchen Zuckerwasser auf und wartete drei Stunden. Doch die Hellbraune zeigte sich nicht. Da machte sich die junge Frau auf und ging zu der wilden Wiese, die sich hinter dem Maschendrahtzaun anschloss, der das Grundstück nach hinten raus begrenzte. Immer hielt sie dabei das Schälchen mit dem Zuckerwasser in der Hand. Da gesellten sich bald hitzemüde Bienen zu ihr, durstige Hummeln, ausgetrocknete Fliegen, aber nicht die Hellbraune. Die junge Frau brachte es nicht übers Herz, die krabbelnden Gesellen, die Erschöpften und Dürstenden zu verscheuchen, auch wenn schon bald kein Platz mehr war für die Hellbraune. Da rief sie nach ihr, das allgemeine Brummen und Summen übertönend. Und endlich, endlich zeigte sich die Hellbraune. Bald schon summte sie um den Kopf der jungen Frau. 
"Komm mit", sang sie ihr ins Ohr. "Komm mit, ich muss dir etwas zeigen!"
Da stellte die junge Frau das Schälchen auf den Boden und kletterte über den Zaun. Dann folgte sie der Hellbraunen durch die wilde Wiese, hin zum Wald. Dort angekommen hörte sie ein wildes Gebrumm. Es kam von einem Baum am Waldrand. 
"Was soll das bedeuten?"
"Das ist mein Heim. Hier machen wir Honig, auch aus dem Nektar deiner Blumen. Komm, nimm deinen Anteil an unserem Honig mit!"
"Aber wie?"
"Brich dir ein Wabenstück ab, wir tun dir auch nichts!"
Und so geschah es. Die Hellbraune summte mit ihren Mitbienen, die junge Frau kletterte auf den Baum und brach eine honigreife Wabe ab.
"Wir danken dir für deine Gastfreundschaft und all die Blumen. Ich komme gerne wieder zu dir."
"Und ich danke dir für deinen arbeitsamen Einsatz. Ich freue mich immer, dich und deine Freundinnen zu sehen."
Die Honigbiene summte zwei Mal um den Kopf der jungen Frau, es war als lachte sie ihr zu, bevor sie in der Menge ihrer Freundinnen verschwand, die sich nun wieder dicht an dicht auf den Waben bewegten.
Da kletterte die junge Frau wieder von dem Baum herunter, ging den Weg zurück, sammelte das Schälchen ein, das nun leer und verlassen auf dem Boden lag, und kletterte mühsam über den Zaun. In der Wohnung angekommen führte ihr erster Weg sie in die Küche, wo sie die Bienenwabe mit ihrer kostbaren Fracht in ein leeres Glas steckte und verschloss. Danach ging sie auf den Balkon und gönnte ihren Pflanzen eine zweite Runde Wasser, schließlich war es ein heißer Tag gewesen und nun wusste sie ja, wozu das alles hier gut war, Auf ein Mal sah sie ihre Blumen mit ganz anderen Augen. Sie sah sie mit dem Honigblick.
Bild
0 Comments

    Archive

    Juni 2025
    Mai 2025
    Februar 2025
    Januar 2025
    Dezember 2024
    September 2024
    August 2024
    Juli 2024
    Juni 2024
    Mai 2024
    März 2024
    November 2023
    September 2023
    Juni 2023
    Mai 2023
    April 2023
    März 2023
    Januar 2023
    Dezember 2022
    November 2022
    September 2022
    August 2022
    Juli 2022
    Juni 2022
    Mai 2022
    April 2022
    Januar 2022
    Dezember 2021
    November 2021
    Oktober 2021
    September 2021
    August 2021
    Juli 2021
    Juni 2021
    Mai 2021
    April 2021
    März 2021
    Februar 2021
    Dezember 2020
    November 2020
    Oktober 2020
    September 2020
    August 2020
    Juni 2020
    Mai 2020
    April 2020
    März 2020
    Februar 2020
    November 2019
    Oktober 2019
    September 2019
    Juli 2019
    Juni 2019
    April 2019
    März 2019
    Februar 2019
    Dezember 2018
    Oktober 2018
    September 2018
    August 2018
    Juli 2018
    Juni 2018
    Mai 2018
    April 2018
    März 2018
    Februar 2018
    Januar 2018
    November 2017
    September 2017
    August 2017
    Juli 2017
    Juni 2017
    April 2017
    März 2017
    Dezember 2016
    Oktober 2016
    September 2016
    August 2016
    Mai 2016
    April 2016
    März 2016
    Februar 2016
    Januar 2016
    Dezember 2015
    November 2015
    Oktober 2015

    Kategorien

    Alle
    Allgemeines Gefasel
    Lesungen
    Projekte
    Veröffentlichung

    RSS-Feed

Powered by Create your own unique website with customizable templates.